September 2024
Update zum Mahnmal:
Hier sind sie: die Texttafeln des Mahnmals
Die Einweihung des „Arisierungs“-Mahnmals ist nun ein Jahr her – und erst jetzt werden die dazugehörigen Informationstafeln angefertigt. Das kann man absurd finden – aber ist es überraschend?
Der zähe Prozess rund um die Texttafeln entspricht der Entstehungsgeschichte des Mahnmals selbst. Nach der raschen, fraktionsübergreifenden Beschlussfassung zum Mahnmalbau im November 2016 dauerte es sieben Jahre, bis das Mahnmal an der Tiefer im September 2023 eingeweiht werden konnte. Viele Schwierigkeiten mussten überwunden werden, doch ganz besonders zeitaufwendig waren die Auseinandersetzungen um die Verortung des Mahnmals: Welche Nähe, welche Sichtbeziehung des Mahnmals zu Kühne + Nagel ist (historisch und moralisch) angemessen?
Dieser Aushandlungsprozess wiederholte sich nun bei der Formulierung der zum Mahnmal gehörigen Tafeltexte. Es ist ohnehin keine leichte Aufgabe, die Abläufe, Beteiligungen und Verantwortlichkeiten an den flächendeckenden „Arisierungs“-Vorgängen, speziell auch in Bremen, so kurz wie korrekt darzustellen. Zumal es dafür keine Beispiele im öffentlichen Raum gibt: Der gesamte Themenkomplex der „Arisierung“ ist, trotz seiner zentralen Bedeutung für die Herrschaftsstabilisierung des NS-Systems, öffentlich noch kaum präsent. Bremen hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen. Doch bei der Texterstellung erwies sich, wie schon bei der Standortfrage, als besonders zäher Punkt die Frage: In welcher Konkretion kommt Kühne + Nagel auf diesen Tafeln vor? Und durch was für ein Verfahren wird das alles entschieden?
Täteradressierung statt reines Opfergedenken: Das ist noch immer nicht selbstverständlich, sondern muss geduldig und intensiv diskutiert werden. Bezeichnend ist bei all‘ diesen Auseinandersetzungen, dass Kühne + Nagel stets im Hintergrund agierte, andere arbeiten, streiten und debattieren ließ - statt selbst etwas aufzuarbeiten und sich der Diskussion um den Umgang mit seiner NS-Geschichte zu stellen. Was andere Unternehmen auch geschafft haben.
Und die Tafeln? Die sind textlich und gestalterisch nun endlich fertig und werden im Oktober am Mahnmal angebracht. Die relativ lange (technische) Produktionsdauer bis Mitte/Ende Oktober hängt damit zusammen, dass der Hinweis zum QR-Code mit weiterführenden Informationen auch in Braille-Schrift für Menschen mit Sehbeeinträchtigung ausgeformt wird.
Und hier sind sie nun, für alle sichtbar: die Druckvorlagen. Wobei sich »Druck« nicht nur auf den Printvorgang bezieht.
Tafeltext am Mahnmal
Leerstellen und Geschichtslücken
Diese Installation wurde 2015 als „Arisierungs“-Mahnmal durch zivilgesellschaftliches Engagement initiiert und am 10. September 2023 eingeweiht.
In der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) wurde die jüdische Bevölkerung systematisch verfolgt und ausgeraubt, in die Emigration getrieben oder ermordet. Ihre Wohnungen und Häuser wurden meist restlos ausgeräumt. Die Leerstellen an den Wänden des Mahnmals stehen für die geraubten Möbel und Erinnerungsgegenstände.
Behörden und Firmen trieben die Ausplünderung aktiv voran. Viele Privatpersonen, auch in Bremen, beteiligten sich an der „Verwertung“ des Eigentums ihrer jüdischen Mitbürger:innen. Während des Krieges fanden sogar Massenverkäufe jüdischen Eigentums statt. Dafür wurden öffentliche Orte genutzt, etwa die Gaststätte des Bremer Weserstadions. Beides – Ausplünderung und „Verwertung“ – waren Teil der nationalsozialistischen Politik.
Bremen profitierte auch als europaweit wichtiger Auswanderungshafen. Nach Kriegsbeginn landeten zahlreiche Umzugskisten, anstatt verladen zu werden, auf sogenannten „Juden-Auktionen“. Die Bremer Spedition Kühne+Nagel gründete in vielen besetzten Ländern Europas Niederlassungen und sicherte sich eine zentrale Rolle beim Abtransport jüdischen Eigentums. Dieser Teil der Vergangenheit ist seitens der Firma unaufgearbeitet.
Die Familien- und Firmengeschichten der Profiteur:innen weisen zahlreiche Lücken und Leerstellen auf. Noch immer befinden sich viele der geraubten Güter in Privathaushalten. Sie werden weitervererbt oder auf Flohmärkten und im Antiquitätenhandel verkauft, wobei deren Herkunft verdrängt und vergessen wird. In den jüdischen Familien hingegen fehlen diese Gegenstände, auch als Erinnerung an die Angehörigen.
Der größte Teil des jüdischen Eigentums wurde nie zurückgegeben.
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In 2015, this installation marking the process of ‘Aryanisation’ was initiated by civil society engagement. It was inaugurated on September 10th, 2023
Blanks and gaps in history
During the period of National Socialism (1933-1945) in Germany, the Jewish population was systematically persecuted, robbed, driven into emigration or murdered. Most of their homes were ransacked and looted.
The empty spaces on the walls of the memorial represent the stolen furniture and personal belongings.
Authorities and companies encouraged the plundering and actively took part in it. As in the rest of the ‘German Reich’, many inhabitants of Bremen participated in the liquidation of the property of their Jewish fellow citizens. There were even mass sales of Jewish property during the war for which public spaces like the restaurant of the Weser Stadium were used. Both the plundering and the liquidation of property were part of the National Socialist policy.
As an important European harbour, the city of Bremen furthermore benefited from the forced emigration of Jewish citizens. After the start of the war, instead of being shipped to their owners, large numbers of moving boxes ended up at so-called ‘Jewish auctions’ in town. Kühne+Nagel, a logistics company founded in Bremen, opened branches in many occupied European countries and thus ensured its central role in the liquidation of Jewish assets. The company has not dealt with this part of its business’ history.
The historical narratives of businesses and private people who had profited by the plundering is characterised by gaps and blind spots. Many of the looted goods still can be found in private households. They are being passed on to the following generations or sold at flea markets and in the antiques trade. While their provenance is repressed and forgotten, these objects continue to be missing in Jewish families - for whom they would also represent a memory of their relatives.
Most of the Jewish property was never returned.
WORK IN PROGRESS
Hello! This homepage has been released for the inauguration of the »Aryanization«-monument at the bank of the river Weser in Bremen on September 10, 2023 and is continuously filled since then. It also will be translated into different languages including simple language.
Thank you for your interest! We would be pleased if you would visit us often, see the progress and contact us via info@geraubt.de. Feel free to participate!
Hallo! Diese Homepage ist zur Einweihung des »Arisierungs«-Mahnmals am Bremer Weserufer am 10. September 2023 freigeschaltet worden und wird seither kontinuierlich befüllt - und insbesondere noch in verschiedene Sprachen einschließlich Einfacher Sprache übersetzt.
Danke für Euer Interesse! Wir freuen uns, wenn Ihr öfter Mal vorbei schaut, die Fortschritte seht und über info[at]geraubt.de mit uns Kontakt aufnehmt - beteiligt Euch gern!