Die Familie Käthe und Adolf Maass und ihre Beziehungen zu Kühne & Nagel
Von Christoph Laue (Kommunalarchiv Herford und Gedenkstätte Zellentrakt Herford)
Der Kaufmann Adolf Maass, geboren als Abraham Maass (Vornamensänderung 14.4.1919 durch Senat Hamburg) am 9.10.1875 in Borgholzhausen, tritt nach dem Abitur als Lehrling in das Bremer Stammhaus der 1890 gegründeten Spedition Kühne & Nagel ein. Schon nach eineinhalb Jahren kann er seine Lehre beenden und wird mit einer eigenen Abteilung betraut. Im Jahre 1902 schickt ihn der Firmengründer August Kühne zur Gründung einer Niederlassung nach Hamburg. Seit 31.1.1902 wohnt er in Hamburg. 1910 wird Adolf Maass Teilhaber der Firma Kühne & Nagel.
Am 10. April 1911 heiraten Käthe Elsbach und Adolf Maass in Herford, gefeiert wird in Hannover. Am 23. September 1913 feiern auch Käthes Elsbachs Schwester Ellie Elsbach und Carl Lipmann ihre Hochzeit in Herford. Beide Töchter verziehen mit ihren Männern – die nach den Heiraten in den Aufsichtsrat der Herforder Elsbach AG aufgenommen werden - nach Hamburg. Carl Lipmann hatte 1895 die Naturdarmimportfirma Carl Lipmann & Co. gegründet, die binnen kurzer Zeit zu der größten Darmsortieranstalt und Darmfabrik Deutschlands heranwuchs.
Die Familien Maass und Lipmann erwerben Villen an der Blumenstraße und an der Bellevue in Winterhude und sind im gesellschaftlichen und kulturellen Leben Hamburgs aktiv. Käthe und Adolf Maass bauen ihre Bibliothek und Kunstsammlung weiter aus. Ihre Kinder Herbert, geboren 1912, Lisa, geboren 1916, und Gerhart, geboren 1918, besuchen höhere Schulen in Hamburg.
Herbert Maass legt 1930 sein Abitur am Johanneum ab und studiert bis zum Referendarexamen 1933 Jura in Hamburg. Er promoviert 21-jährig als Jurist 1934 in Hamburg. Die Ernennung zum Rechtsreferendar wird ihm verweigert. Noch im selben Jahr wandert er wegen der antijüdischen Maßnahmen nach England aus. Er setzt sein Studium 1934 in England fort und ist dort bis 1940 als Jurist tätig.
Die Tochter Lisa beendet ihre Schulzeit im März 1933 an der Firgau-Schule in der Sierichstraße 53. Sie beginnt eine Ausbildung zur Säuglingsschwester, darf in Deutschland aber keinen Abschluss mehr machen. Sie legt ihr Examen 1936 in England ab. Lisa Maass emigriert im Dezember 1938 in die USA nach New York.
Gerhart Maass verläßt 1936 das Heinrich-Hertz-Realgymnasium am Voßberg ohne Abitur und beginnt eine kaufmännische Lehre. Er wird Mitte der 1930er Jahre in die schwedische Niederlassung der Fa. Rudolf van der Walde gesandt. Nach einem Zwischenaufenthalt in Stockholm emigriert er 1938 nach Kanada.
Im Jahr 1928 gibt es einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Adolf Maass und Kühne & Nagel. Als der Firmengründer August Kühne 1932 stirbt, übernehmen seine Söhne Alfred und Werner das Geschäft, Alfred leitet das Hamburger Haus, sein Bruder bleibt im Stammhaus in Bremen.
Die Beteiligungsverhältnisse zwischen Adolf Maass und Kühne & Nagel werden im Oktober 1932 neu vereinbart: »Herr Maass ist lediglich an dem Geschäft der Firma Kühne & Nagel in Hamburg … beteiligt. … Am Gewinn und Verlust der Hamburger Geschäfte ist Herr August Kühne mit 15%, Herr Maass mit 45%, ein jede der Herren Alfred und Werner Kühne mit 20 % beteiligt…«. Maass unterschreibt auch ein Schuldanerkenntnis an Kühne & Nagel Bremen: »Kühne & Nagel in Hamburg schuldeten an Kühne & Nagel in Bremen einen Betrag von RM 122635,91, welcher durch Buchungsübertrag ausgeglichen wurde. Von dieser Summe fallen auf meinen Anteil RM 55186,15. … Der Betrag soll im Lauf der nächsten Jahre durch besondere Entnahmeverrechnung getilgt werden.«
1933 muss Adolf Maass Kühne & Nagel verlassen. Schon im März berichtet Käthe Maass darüber an ihren Sohn Herbert Maass: »ich hoffe, dass Vati sich heute entschließt.« 22.4.1933 wird eine Vereinbarung über das Ausscheiden von Adolf Maass geschlossen: »Herr Adolf Maass scheidet per 1. April 1933 … aus den vorerwähnten offenen Handelsgesellschaften aus und nimmt weiterhin am Gewinn und Verlust des Unternehmen nicht mehr teil.« In der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der Firma Kühne & Nagel heißt es dazu: »Im April 1933 scheidet Adolf Maaß aus, um als Teilhaber in eine Großhandelsfirma seiner Verwandtschaft einzutreten. Alfred und Werner Kühne führen die Firma als Alleininhaber weiter.«
Adolf Maass tritt in das Importunternehmen seines Schwagers Lipmann & Co ein, das 1938 liquidiert wird. 1938 muss er auch sein Aufsichtsratsmandat in der Elsbach AG in Herford aufgeben. Das Vermögen der Familie wird gesperrt und die »Judenvermögensabgabe« in Höhe von 35000 RM festgesetzt. Der der Familie zustehende Förderzins aus einer Erdölförderung bei Celle muss zum Hamburger Oberfinanzpräsidenten abgeführt werden.
Nach der Pogromnacht 1938 wird Adolf Maass verhaftet und wird mehrere Wochen im KZ Sachsenhausen fetsgehalten. Familie Lipmann emigriert mit vier Kindern 1940 nach Montevideo/Uruguay.
Käthe und Adolf Maass schicken ihren drei Kindern 1938 noch je einen Container mit Hausrat, Möbeln und einem Teil ihrer Bibliothek. Nachdem sie zunächst in Hamburg ausharren wollen, versuchen sie 1941 mit allen Mitteln kurzfristig noch ein Ausreisevisum zu erhalten, ohne Erfolg. Im Sommer 1941 müssen sie ihr Haus in der Blumenstraße unter Wert verkaufen, der Erlös geht auf ein Sperrkonto. Einem geplanten Transport am 25. Oktober 1941 nach Lodz entgehen sie. Ende 1941 werden sie in das »Judenhaus« Bogenstraße 25 umquartiert. Am 15. Juli 1942 erfolgt für sie der Deportationsbefehl nach Theresienstadt. Das Ehepaar wird von dort am 15. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert und wahrscheinlich sofort nach der Ankunft ermordet, was die Kinder erst im Laufe des Jahres 1945 erfahren.
Herbert Maass wird als Deutscher in England 1940 der Spionage verdächtigt, verhaftet und bis 1942 in einem Lager in Australien interniert. Dann tritt er in die britische Armee ein und ändert seinen Namen 1943 in Edward Arthur Marsden. Kurz vor Kriegsende 1945 wird er nach Indien geschickt und kehrt 1946 nach England zurück. Er wird 1947 Kanzler des Obersten Gerichtshofs der Britischen Kontrollkommission und ist ab 1955 beim Obersten Rückerstattungsgericht mit Sitz in Herford tätig.
Gerhart (dann Gerry) Maass tritt 1942 in die kanadische Armee ein und wird 1944 eingebürgert. Er dient in Frankreich, Holland und Deutschland. 1945 in Oldenburg stationiert, kümmert er sich intensiv um die Rückgabe der Firma in Herford und das Wiedergutmachungsverfahren. Er kehrt im September 1946 nach Montreal zurück.
Seit 2013 sind im Herforder Elsbach-Haus, dem früheren Firmensitz der Elsbach AG die geretteten Reste der Bibliothek der Familie Elsbach-Maass zu sehen, 2018 wurde nach umfangreichen Recherchen dort eine Ausstellung zur Familien- und Firmengeschichte Elsbach gezeigt, die danach in eine Dauerausstellung am gleichen Ort verändert wurde.
Weitere Informationen und Dokumente unter https://www.zellentrakt.de/elsbach-bibliothek.html .